Endlich mehr Geld auf dem Konto? Für viele Beschäftigte klingt die Erhöhung des gesetzliche Mindestlohn erstmal wie eine gute Nachricht. Doch hinter den 6,8 Prozent mehr Netto versteckt sich ein bitterer Beigeschmack: Der Staat kassiert satte 28 Prozent mehr Steuern.
Experten sprechen von einem Paradoxon. Während Arbeitgeber höhere Löhne zahlen, profitieren Niedrigverdiener kaum. Die progressive Besteuerung sorgt dafür, dass ein Großteil der Erhöhung im Staatshaushalt landet.
Was bedeutet das konkret? Eine Hochrechnung zeigt: Bei 6 Millionen Betroffenen fließen Milliarden an Steuern und Abgaben. Für Beschäftigte bleibt oft weniger übrig als erhofft. Hinterfragen wir doch mal die Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns pro Stunde für die Beschäftigten und Schauen was die Arbeitgebern zum gesetzlichen Mindeslohn sagen.
Einleitung: Warum der Mindestlohn 2026 und 2027 steigt
Die Mindestlohnkommission hat am 27. Juni 2025 einstimmig entschieden: Ab 2026 gibt es mehr Geld für Geringverdiener. Der Beschluss gilt als historischer Kompromiss zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden.
Konkret steigt der Betrag in zwei Schritten. Ab Januar 2026 sind 13,90 Euro pro Stunde fällig, ein Jahr später dann 14,60 Euro. Das bedeutet insgesamt eine Erhöhung von 13,9 Prozent.
Christiane Benner, IG Metall-Vorsitzende, kommentiert:
«Ein armutsfester Mindestlohn stärkt die Kaufkraft und gibt der Wirtschaft neuen Schwung.»
Hintergrund ist die aktuelle Inflation. Gewerkschaften argumentieren mit sinkender Kaufkraft. Der Mechanismus zur Anpassung ist im § 9 MiLoG geregelt. Aktuell liegt der Satz bei 12,82 Euro.
Die Diskussion war heftig. Vor allem in Branchen wie Logistik und Gebäudereinigung gab es Tarifkonflikte. Statistiken zeigen: Allein in Schleswig-Holstein sind 220.000 Menschen betroffen, in Mecklenburg-Vorpommern 120.000.
Ziel ist auch, sogenannte Aufstocker zu entlasten. Diese Kombilohn-Empfänger sollen mehr Netto vom Brutto behalten. Die Kommission spricht von einem «sozialpartnerschaftlichen Ausgleich».
Mindestlohn Plus: Die neuen Beträge ab 2026 und 2027
13,90 Euro pro Stunde – das ist der neue Richtwert ab 2026. Die Anpassung erfolgt in zwei Schritten und betrifft rund 6 Millionen Beschäftigte. Besondere Regelungen gelten für Branchen wie Gastronomie und Baugewerbe.
13,90 Euro ab Januar 2026
Zum 1. Januar 2026 steigt der Betrag um 1,08 Euro auf 13,90 Euro pro Stunde. Für Vollzeitkräfte bedeutet das ein monatliches Bruttoplus von etwa 180 Euro. Ausnahmen gibt es etwa im Elektrohandwerk, wo branchenspezifische Sätze greifen.
Für Minijobs gilt eine Übergangsfrist bis März 2026. Midijobber profitieren sofort: Bei 160 Arbeitsstunden sind das 2.224 Euro brutto monatlich. Die Gebäudereinigung sieht zudem eine Ost-West-Angleichung vor.
14,60 Euro ab Januar 2027
Ein Jahr später folgt die nächste Stufe: 14,60 Euro sind dann fällig. Das Rechenbeispiel enthüllt: Bei gleicher Stundenzahl steigt das Monatsbrutto auf 2.336 Euro. Überhangwirkung nach § 1 Abs. 2 MiLoG sichert tarifvertragliche höhere Sätze.
Die zwei Jahre zwischen den Erhöhungen sollen Betrieben Planungssicherheit geben. In der Logistik sind bereits jetzt 15,50 Euro üblich – hier zeigt sich der Druck der Tarifparteien.
Finanzielle Auswirkungen für Beschäftigte
Mehr Brutto, aber weniger Netto? Die Rechnung für Beschäftigte ist komplex. Zwar steigt das Einkommen – doch durch Steuern und Abgaben schrumpft der Effekt. Experten sprechen von einem „Paradoxon der Progressionsfalle“.
6,8 Prozent mehr Netto
Ab 2026 erhalten Vollzeitkräfte im Schnitt 190 Euro mehr pro Monat. Bei 30 Wochenstunden sind das rund 6,8 Prozent Netto-Plus. Familien mit Kindern profitieren stärker durch Entlastungen wie den Kinderfreibetrag.
Ein Beispiel: Eine Kassiererin im Einzelhandel verdient aktuell 1.600 Euro brutto. Nach der Erhöhung sind es 1.790 Euro – netto bleiben etwa 1.420 Euro (2026) bzw. 1.530 Euro (2027).
28 Prozent mehr Steuern
Der Staat kassiert kräftig mit: Die Steuerlast steigt um 28 Prozent. Grund ist die kalte Progression. Bei gleichem Grenzsteuersatz landet mehr Brutto in höheren Steuerstufen.
„Die Anpassung frisst die Erhöhung auf“, kritisiert Steuerexperte Markus Müller. „Geringverdiener zahlen prozentual mehr als Spitzenverdiener.“
Die Sozialversicherungen bleiben stabil. Arbeitgeber und Beschäftigte teilen sich die Beiträge paritätisch. Doch für viele bleibt am Ende weniger, als die prozentuale Bruttoerhöhung verspricht.
Wie der Staat vom Mindestlohn-Plus profitiert
Steuerexperten decken auf: Der wahre Gewinner der Anpassung sitzt in den Ministerien. Hochrechnungen zeigen, dass der Staat jährlich 500 Millionen Euro mehr an Lohnsteuern einnimmt. Gleichzeitig steigen die Sozialbeiträge von 6 Millionen Beschäftigten.
- Fiskalischer Multiplikator: Höhere Löhne erhöhen die Konsumausgaben – ein Wachstumsimpuls für die Wirtschaft.
- Entlastung der Sozialsysteme: Weniger Aufstocker bedeuten geringere Kosten für Grundsicherung.
- Verteilungskampf: 70 Prozent der Mehreinnahmen fließen an den Bund, 30 Prozent an Länder und Kommunen.
Laut einer Studie des Böckler-Instituts spart der Staat durch höhere Löhne 7,1 Milliarden Euro an Sozialleistungen. „Das ist versteckte Umverteilung“, kritisiert Finanzwissenschaftler Dr. Lars Feld im Interview.
„Die Progressionsfalle macht Geringverdiener zu stillen Steuerzahlern – während Unternehmen Entlastungen erhalten.“
Im EU-Vergleich fällt auf: Deutschland besteuert niedrige Einkommen mit bis zu 42 Prozent. In Frankreich liegt die Grenze bei 30, in Dänemark bei 38. Für viele Beschäftigte bleibt so nur ein Bruchteil der Erhöhung.
Kontrollen und Sanktionen: Wer überwacht die Einhaltung?
Wer sorgt dafür, dass die neuen Lohnregeln eingehalten werden? Das System der kontrolle basiert auf einer Mischung aus Behörden und Whistleblowern. Besonders im Fokus stehen branchen mit hohem Druck wie Logistik oder Gastronomie.
Rolle der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS)
Die FKS führt jährlich 50.000 Prüfungen durch. Schwerpunkte sind:
- Digitale Zeiterfassungspflicht für arbeitgeber
- Risikoanalysen in Baugewerbe und Gaststätten
- Verdachtsmeldungen nach § 13 MiLoG
Ein Beispiel: 2024 deckte eine Großrazzia in einem Logistikzentrum systematische Unterzahlung auf. 120 Beschäftigte erhielten rückwirkend 380.000 euro.
Bußgelder und Haftung
Verstöße können teuer werden. Die Strafen reichen bis zu 500.000 euro. Besonders heikel ist die Haftung bei Subunternehmen. Der Auftraggeber muss nachweisen, dass er seine Sorgfaltspflicht erfüllt hat.
Branche | Durchschnittliche bußgelder | Häufigkeit von Verstößen |
---|---|---|
Baugewerbe | 28.000 euro | 18% |
Gastronomie | 12.500 euro | 22% |
Logistik | 34.000 euro | 15% |
Experten fordern schärfere Maßnahmen. «Blockchain-Technologie könnte Lohnzahlungen transparent machen», sagt Gewerkschaftsvertreterin Petra Köster. Aktuell zeigen Statistiken: 12% aller geprüften arbeitgeber halten die Regeln nicht ein.
„Ohne wirksame Sanktionen verpufft die Wirkung der Erhöhung.“
Für Beschäftigte gibt es gute Nachrichten: Wer Verstöße meldet, ist durch das Whistleblower-Schutzgesetz abgesichert. Die kontrolle bleibt also ein zentrales Thema – für faire Löhne in allen branchen.
Branchen mit besonderen Regelungen
Nicht alle Branchen folgen den gleichen Regeln beim gesetzlichen Lohn. Während die meisten Beschäftigten von den neuen Mindestlöhnen profitieren, gelten für bestimmte Wirtschaftszweige Sondervereinbarungen. Diese reichen von höheren Tarifsätzen bis zu minutengenauer Zeiterfassung.
Bau- und Gaststättengewerbe
Im Baugewerbe sind Ausnahmen besonders häufig. Laut § 17 MiLoG müssen Arbeitgeber hier jede Arbeitsminute dokumentieren. Ein aktueller Branchenreport zeigt: 22% der Gaststätten halten die Regeln nicht ein.
Gründe dafür sind oft komplexe Subunternehmer-Ketten. Ein Musterprozess aus Berlin enthüllte: Ein Gebäudereiniger klagte erfolgreich gegen rückständige Löhne. Das Urteil stärkt die Rechte von Beschäftigten.
Logistik und Gebäudereinigung
Die Gewerkschaften setzten hier höhere Tarifverträge durch. Im Elektrohandwerk gelten beispielsweise 15,40 Euro pro Stunde. Internationale Speditionen haben zudem Sonderregeln für Exportausnahmen.
„Tarifautonomie schützt vor Lohndumping – aber nur mit wirksamen Kontrollen.“
Branche | Durchschnittslohn | Besonderheiten |
---|---|---|
Baugewerbe | 14,80 € | Minutengenaue Erfassung |
Gastronomie | 13,90 € | Hohe Schwarzarbeitsquote |
Logistik | 15,50 € | Tarifverträge über gesetzlichem Minimum |
Experten warnen vor Automatisierungsdruck: Steigende Lohnkosten könnten Jobs gefährden. Digitale Abrechnungssysteme sollen hier Transparenz schaffen – ein Spagat zwischen Fairness und Wettbewerb.
Fazit: Was die Mindestlohnerhöhung bedeutet
6 Millionen Menschen erhalten mehr Gehalt – doch zu welchem Preis? Die Erhöhung bringt zwar eine spürbare Verbesserung, doch die progressive Besteuerung schmälert den Effekt. Laut DGB könnte ein Tariftreuegesetz nächster Schritt sein.
Langfristig drohen Risiken: Automatisierung im Dienstleistungssektor könnte Jobs kosten. Gewerkschaften fordern 15 Euro bis 2030, doch Experten warnen vor überhasteten Schritten.
Politisch bleibt die Reform ein Zankapfel. Laura Pooth (DGB Nord) betont: „Nur mit Kontrollen wird die Erhöhung nachhaltig.“ Für viele bleibt die Frage: Wann wird mehr Brutto auch mehr Netto?